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Prof. Dr. med. Christian Drosten hält die Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung 2021 der Ärztekammer Nordrhein: Fast 2.000 Ärzte und Ärztinnen nehmen an Fortbildung teil

Die Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung ist eine anerkannte und hochgeschätzte Institution und für die über 62.000 nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte nicht nur ein Gedenken an den vormaligen Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein und der Bundesärztekammer, sondern im Sinne Hoppes ein wichtiges Forum für ärztliche Fortbildung. Die heutige Vorlesung am 9. Februar 2021 widmete sich der Corona-Pandemie und den Maßnahmen ihrer Bewältigung. Gastredner war Prof. Dr. med. Christian Drosten, der zehn Jahre der Ärztekammer Nordrhein angehörte und heute das Institut für Virologie der Charité Universitätsmedizin Berlin leitet.

Ärztekammerpräsident Rudolf Henke führte in die Thematik ein und wies auf die herausragende Bedeutung des Gastredners bei der virologischen Forschung zur Corona-Pandemie hin und seine – bereits mit einem Grimme-Preis ausgezeichnete – bedeutsame Öffentlichkeitsarbeit zur Thematik. Präsident Henke freute sich, fast 2.000 Ärztinnen und Ärzte zur Teilnahme an der Online-Fortbildung der Akademie der Ärztekammer zu begrüßen, ein überwältigender Fortbildungserfolg, der das Interesse der Ärzteschaft zeigt. Zahlreiche Gäste wurden zudem aus anderen Landesteilen begrüßt, darunter der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. med. Hans-Albert Gehle.

Drosten führte aus, wie sich die zweite Pandemiewelle zahlenmäßig darstelle und welche Daten in die Erfassung der Infektionszahlen eingingen. Acht Tage nach Symptombeginn höre die Übertragung auf. Beim Vergleich von Viruslast und Zellkultur zeige sich, dass nach Ende der ersten Woche ein Patient im Prinzip nicht mehr infektiös sei. Schnelltests ergäben nur Sinn zur Nachverfolgung der Infektiosität, nicht als Massentests. Sinnvoll seien sie zur Verkürzung der Quarantänezeit, in Alten- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern. Selbstisolation als Intervention bleibe wichtig.

Die Sensitivität der Schnelltests im Vergleich zu PCR sei niedriger, Schnelltests hätten ihre Bedeutung beim Nachweis der Infektiosität, nicht der Infektion. Eine Weiterübertragung der Infektion passiere bei 20 % der Patienten. 80 % der Fälle kämen aus einem Quellcluster. Quellcluster müssten sofort isoliert werden bzw. in Quarantäne kommen, eine Freitestung nach einigen Tagen sei denkbar.

Dies sei auch für Schulen ein guter Weg: Klassenweise Heimquarantäne, gefolgt von einer Freitestung. Studien würden klar zeigen, dass Schulschließungen zur deutlichen Reduktion des Infektionsgeschehens führen würden.

Zu Mutationen gäbe es keine einheitliche Botschaft. Prof. Drosten hielt pointiert fest: „Manchmal komme ich mir vor wie ein zweifelhaftes Orakel.“ Die Forschung sei hier noch auf dem Wege und suche nach Antworten, die Ansteckungsrate der britischen Mutante sei 30 % höher, um diese Mutante müsse man sich wirklich kümmern.

Dänemark sequenziere wesentlich mehr als Großbritannien. Es zeige sich, dass die Mutante 19 % der Infektionsfälle ausmache. In Deutschland hätten in den letzten drei Wochen die großen ALM-Labore nachgetestet und in 5,8 % der Fälle die britische Variante festgestellt.

Erstdiagnosen mit Testung auf Variante B.1.1.7 nähmen in Berlin stetig zu, zeigten die Untersuchungen der Charité. Möglicherweise werde aber durch Aufmerksamkeitseffekte (zum Beispiel durch Testung der Einreisenden) die Verbreitung derzeit noch nicht korrekt eingeschätzt.

Wir seien insgesamt, so Drosten, besser gefahren bei den Fallzahlen, etwa als Frankreich oder England. Wunde Punkte im Lockdown seien Schulen, Arbeitsstätten und entfernte Sozialgruppen, also Gruppen, die kommunikativ schlecht erreichbar seien.

Deutlich zu beobachten sei der Rückgang der SARI-Fälle, besonders der schweren Verläufe bei Kleinkindern.

Die Letalität bei 40- bis 60-jährigen Corona-Patienten läge bei 0,1 %. Wenn nach Lockerungen gefragt werde, müsse man sich verstärkt diese Altersgruppe anschauen, Ältere seien dann hoffentlich bereits geimpft. Im Überschlag sähe ein Worst-Case-Szenario mit einer Durchinfektion von 50 % der 40- bis 60-Jährigen eine Annahme von schweren und moderaten Verläufen zu 10 % vor, also wären 1,2 Millionen Menschen dieser Altersgruppe betroffen.

Wichtig sei die schnelle Durchimpfung der Bevölkerung, der Schutz der Risikogruppen, die Rolle der Betriebsärzte und der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bei dieser Mammutaufgabe, die Bevölkerung zu impfen.

Zu den Gesundheitsämtern und der Nachverfolgung von Infizierten sagte Drosten, dass die Gesundheitsämter derzeit hoch belastet seien. Die Ausstattung sei verbessert und mehr Personal eingestellt worden. Aber dieses Personal müsse eingearbeitet werden, die Situation sei bundesweit sehr unterschiedlich. Der Inzidenzwert von 50 sei politisch vorgegeben. Zu beachten sei, dass Covid-19 zu 50 % vor Symptombeginn der Erkrankten übertragen werde.

Wir erlebten, so Drosten, als Wissenschaftler:innen erstmalig die Eintragung eines Coronavirus in die Menschheit in Echtzeit. Wir müssten uns jetzt Gedanken machen, wie wir die Pandemie beenden könnten. Dazu gehöre eine möglichst schnelle Durchimpfung der Bevölkerung von mindestens 50 %. Erste Studien, etwa zur Situation in Israel, zeigten dann Effekte von einem drastischen Rückgang der Infektionsübertragung.



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